Als frühkindlicher bzw. primitiver Reflex oder Primitivreflex wird in der Medizin ein typisches und reproduzierbares Reaktionsmuster auf gezielte äußere Reize bezeichnet. Diese Reflexe laufen ohne Beteiligung des Großhirns im Stammhirn ab und dienen der Nahrungssuche und -aufnahme sowie dem Selbstschutz. Sie sind in den ersten Lebenswochen und -monaten eines Kindes zu beobachten und werden dann nach und nach im Rahmen der Entwicklung des Großhirns durch die Frontallappen unterdrückt. Den meisten Menschen sind der Kniescheibensehnenreflex, der Schluckreflex oder der Augenlidreflex bekannt. Diese Reflexe bleiben das ganze Leben aktiv.
Es gibt eine Reihe von zeitlich begrenzt aktiven Reflexen. Dazu gehören die so genannten frühkindlichen oder primitiven Reflexe. Um das Überleben eines Menschen während der Schwangerschaft, während der Geburt und in den ersten Monaten nach der Geburt sicherzustellen, wird er mit einer Anzahl dieser frühkindlichen Reflexe ausgestattet. Sie werden durch verschiedene Reize, wie Berührung, Lageveränderung, Geräusche oder plötzlichen Lichteinfall, auf der Ebene des Hirnstammes ausgelöst und führen zu unwillkürlich ablaufenden Bewegungsmustern. Die Reize werden entweder von Hautrezeptoren oder vom Gleichgewichtsorgan aufgenommen und über das Zwischenhirn, hier insbesondere den Thalamus ohne Beteiligung des Großhirns weitergeleitet. Bestimmte Reflexe treten erst mit einem gewissen Reifegrad, das heißt ab einem bestimmten Konzeptionsalter (Alter des Kindes seit der Zeugung) auf. Daher sind sie unabhängig vom Geburtstermin sowohl innerhalb als auch außerhalb des Mutterleibes auslösbar. Somit ist auch das Konzeptionsalter des Säuglings durch sein motorisches Verhalten relativ genau bestimmbar: ein Frühgeborenes hat ein anderes Reflexverhalten als ein Kind, welches zum Termin geboren wurde. Auch der Zeitpunkt des Verschwindens eines Reflexes hängt mit dem Konzeptionsalter zusammen und ist daher in etwa vorhersagbar, immer vorausgesetzt, dass die Entwicklung nicht durch andere Störungen verzögert ist. Das Verschwinden der Reflexe ist für das Erlernen grundlegender Bewegungen notwendig.
So führt beispielsweise bei Neugeborenen die Stimulierung der Lippenregion zur Auslösung des Saugreflexes oder die Stimulierung der Handinnenfläche zur Auslösung des Greifreflexes. Die verschiedenen Reflexe dienen damit der motorischen und sensorischen Ausreifung und bilden das Fundament für die späteren, bewusst gesteuerten Fertigkeiten. Nur auf der Basis einer ordentlichen Ausreifung der frühkindlichen Reflexe entwickeln sich auch die Grobmotorik und die Feinmotorik ungestört. Kommt es auf einer der Stufen zu Irritationen oder gar Störungen, so übertragen sich diese auf die folgenden Entwicklungsstufen. Die bei der Geburt bestehenden Reflexe werden im Zuge der weiteren Ausreifung des Kindes nicht nur überflüssig, sondern ihr Fortbestehen würde seine Weiterentwicklung sogar behindern. Bleiben etwa Reste des Greifreflexes bestehen, so fällt es dem Kind schwer, richtig loszulassen und gezielt greifen zu lernen. Wenn eine Bewegung des Kopfes eine Reaktion des ganzen Körpers auslöst, so wird dies gezielte, isolierte Bewegungen unabhängig von der Kopfhaltung erschweren. Die frühkindlichen Reflexe werden deshalb normalerweise von höheren Hirnregionen gehemmt oder in dauerhaft hilfreiche Halte- und Stellreaktionen integriert. Es gibt eine festgelegte Abfolge dieser Reflexe. Ein frühkindlicher Reflex reift heran, er erreicht seinen Höhepunkt und wird dann gehemmt oder in einen höheren Reflex integriert. Diese Entwicklung verläuft bei allen gesunden Kindern gleich und ist ein Zeichen für ein reifendes zentrales Nervensystem. Abweichungen von diesem Verlauf, also das nicht rechtzeitige und vollständige Integrieren der frühkindlichen Reflexe innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate, weisen auf eine Entwicklungsverzögerung im zentralen Nervensystem hin. Je nach Stärke der bleibenden Reflexaktivität können mehrere Funktionsgebiete, welche zur Grundausstattung für Lernen und Verhalten zählen, betroffen sein, z.B. die grob- und feinmotorische Koordination, die sensorische Wahrnehmung, die Konzentration und das Ausdrucksvermögen. Wenn Restreaktionen der frühkindlichen Reflexe fortbestehen, so können diese in aller Regel vom übrigen sich weiter entwickelnden Nervensystem kompensiert werden. So kann der von einem der Reflexe ausgelöste Impuls, bei einer Drehung oder einem Heben des Kopfes ebenfalls die Arme und Beine zu bewegen, von anderen Teilen des Gehirns (Kortex) mehr oder weniger gut kontrolliert werden. Trotzdem irritiert der Reflex das System, bindet Aufmerksamkeit und kostet auf diese Weise Zeit und Kraft, die dem Kind dann häufig beim Lernen fehlen.
Beispielsweise könnte kein Kind das Stehen, geschweige denn das Gehen erlernen, wenn der Fußgreifreflex (Plantargreifreflex) nicht verschwinden würde. Mittlerweile weist die Forschungslage zur kindlichen Entwicklung eindeutig darauf hin, dass die Anfänge für Störungen der Wahrnehmung, der Motorik, des Verhaltens und des Lernens bei einem Individuum zu einem recht frühen Zeitpunkt seiner Entwicklung zu suchen sind. Das Stichwort „fötale Programmierung“ besagt, dass neben der genetischen Veranlagung die Umstände, unter denen ein Kind die Zeit im Mutterleib verbrachte und die Art und Weise, wie es auf die Welt kam, die weitere Entwicklung eines Kindes entscheidend mitprägen können. Ein großer Teil der vorgeburtlichen Gehirnentwicklung wird von der auf Hirnstamm- und Rückenmarksebene durch Reflexe gesteuerten Motorik bestimmt. Bei vielen Bewegungen, die eine Mutter im Bauch spürt, handelt es sich um diese primären (ersten) Reflexe „in Aktion“. Sie ermöglichen Bewegungen des Babys, bauen dadurch Muskelspannung auf und tragen über die Wahrnehmung der Bewegungen zum Ausbau weiterer Nervenschaltkreise und damit insgesamt zur weiteren Hirnausreifung bei. Sie spielen dann eine zentrale Rolle bei der Geburt in dem Sinne, dass sich das Baby mit Hilfe seiner Reflexbewegungen selber „kooperativ“ an seiner eigenen Geburt beteiligen kann, und sichern dann das Überleben des Kindes in der ersten Zeit nach der Geburt. Mit der weiteren nachgeburtlichen Ausreifung des Gehirns sollten dann die Bewegungsmuster des Kindes nicht mehr stereotype Reaktionen auf einen auslösenden Stimulus sein, sondern sich differenzierter auf die jeweiligen Umwelterfahrungen ausrichten. Mit der Herausbildung der Halte- und Stellreaktionen, die die Grundlage für die notwendige automatisch ablaufende Kontrolle über Gleichgewicht und Körperhaltung und die Entwicklung eines zunehmenden Repertoires an von höheren Hirnzentren willkürlich gesteuerten Bewegungen bilden, sollten dann die primitiven Reflexe ihre Schuldigkeit getan und im Laufe des ersten Lebenshalbjahres nach und nach gehemmt bzw. integriert werden. Geschieht dieses nicht oder nicht vollständig, so kann die weitere nachfolgende Entwicklung zwar weiter voranschreiten, jedoch tut sie dies auf einem unsicheren Fundament. Der Bedarf an Hemmung bzw. die Notwendigkeit zur beständigen Kompensation besteht – häufig lebenslang – weiter. In solchen Fällen spricht das INPP von neuromotorischer Unreife – erkennbar an fortwirkenden Resten frühkindlicher Reflexe. Restreaktionen frühkindlicher Reflexe können danach einen nicht unwesentlichen Anteil an den so genannten unspezifischen Störungen haben, deren Ursachen häufig so schwer zu erfassen sind und die zu der Erfahrung vieler Therapeuten führen, dass sie bei manchen Kindern trotz intensiver Bemühungen nicht die erwünschten Behandlungserfolge erzielen. Viele Störungsbilder bei Kindern, die uns so rätselhaft erscheinen, geraten damit in einen neuen Deutungszusammenhang, denn so manche Verhaltensauffälligkeit, grob- und feinmotorische Ungeschicklichkeit, unerklärliche Lernproblematik bei deutlich vorhandener Intelligenz kann somit als Folge persistierender Restreflexe oder um nicht besonders effektiv kompensierende Maßnahmen angesehen werden. Denn abhängig von Intelligenz und familiärem Umfeld ist ein Kind unterschiedlich erfolgreich dazu in der Lage. Quelle INPP Deutschland
Anamnesebogen
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